Kirche und „Prekäres Milieu“

(1)Das „Prekäre Milieu“ (PRE) ist das Milieu mit den durchschnittlich niedrigsten materiellen und Bildungsressourcen. Das PRE ist das einzige Milieu, das die ihm zugehörigen Menschen zu verlassen suchen. Menschen im PRE leben unter prekären Lebensverhältnissen, die nicht zu beschönigen sind.

(2)Personen, die dem PRE zuzurechnen sind, erfahren überdurchschnittlich viel Zurückweisung, Ausgrenzung und Abwehr.

(3)Anschauungen und Lebensweisen der PRE werden in der Kirche von tonangebender Seite als politisch nicht korrekt eingestuft. Ekelschranken werden auch von Seiten anderer Milieus in der Kirche aufgerichtet. Die in der Gesellschaft erfahrene Diskriminierung setzt sich in der Kirche fort.

(4)PRE nehmen Kirche ästhetisch als überaltert (traditionsfixiert) und sozial als Repräsentation der Lebenswelt wahr, in die sie gerne aufsteigen möchten.

(5) Kirche ist für PRE der fremde Ort, an den sie nicht gehören und dem sie sich nicht zugehörig wissen.

(6) Kirchlich gibt es vor allem einen diakonischen Berührungspunkt. Die oft als solche empfundene Barmherzigkeitsdiakonie steht aber im Widerspruch zu dem Selbstverständnis, stark und nicht hilfsbedürftig zu sein. Ärger und Frustration sind die Konsequenzen auf beiden Seiten.

(7) PRE stehen der Kirche nicht generell kritisch, wohl aber distanziert gegenüber. Kirche ist nicht ihre Welt.

(8) Kommunikationsversuche müssen die Goes wie die No-Goes beachten.

(9) Wichtig sind die universalen menschlichen Brücken Anerkennung, Wertschätzung, Förderung und Respekt.

(10) Touchpoints ergeben sich dort, wo Kirche der Lebensweltlogik des PRE entsprechend um Hilfe und Unterstützung bittet und dabei die spezifischen Begabungen und die spezielle Leistungsfähigkeit der Menschen im PRE berücksichtigt.

(11) Da auch die Kirchengemeinde vor Ort im Regelfall milieugebunden und –dominiert ist, ist der Wunsch, Menschen aus dem PRE in die Kerngemeinde zu integrieren, kritisch zu bewerten.

(12) Erfolgversprechend sind lokal orientierte Gemeinden (LoKs), die aus der Lebenswelt herauswachsen. Da das PRE auch umgekehrt für Traditionelle (TRA), Sozialökologische (SÖK) und Bürgerliche Mitte (BÜM) eine andere Welt bedeutet, sind Brückenpersonen wichtig, die zwischen den Lebenswelten vermitteln können und dadurch Überforderungen zu vermeiden helfen.